Integration und Kette

Wir erwähnten bereits, dass es zu einer Integration kam, als die Kälbermilchhersteller und die Händler das wirtschaftliche Risiko von den Kälbermästern übernahmen. Damit wurden einige Facetten der gesamten Produktionskette miteinander verbunden, auch wenn diese Verbindung zu dem Zeitpunkt hauptsächlich betriebswirtschaftlicher Art war. Seitdem hat die Kälberbranche in diversen Ländern tiefgreifende Entwicklungen durchgemacht. Die meisten größeren Unternehmen verwalten sämtliche Elemente der umfassenden Produktionskette. Das Einsammeln und Auswählen von jungen Milchkälbern, die Unterbringung bei den Kälbermästern, die technische und veterinäre Betreuung, die Produktion der Futtermittel, der Transport, das Schlachten, die Verarbeitung der Felle und die Verarbeitung der Fleischteile bis hin zur Verbraucherverpackung, das alles ist Teil einer einzigen Unternehmensgruppe.

Die Stärke einer Kette liegt klar auf der Hand: Alles wird in eigener Regie gemacht, nichts wird dem Zufall überlassen und die jeweiligen Spezialgebiete ergänzen sich gegenseitig. Aufgrund des intensiven Austausches von Erfahrungen und Daten kann immer nachgesteuert und optimiert werden. Darüber hinaus, ein wichtiger Aspekt, lassen sich alle Produktionsströme zurückverfolgen. Von jedem Stückchen Fleisch, das im Supermarkt liegt, kann die komplette Herstellungsgeschichte bis zum Milchkalb ermittelt werden.

In den Niederlanden gibt es drei integrierte Produktionsketten: die VanDrie Group, die Denkavit Groep und die Pali Groep. Die VanDrie Group ist die größte integrierte Produktionskette der Welt, aber davon später mehr. Auch in Belgien sind einige wichtige Ketten ansässig, und zwar Sopraco, Lornoy und Vanlommel. Die belgische integrierte Produktionskette Jos Theys gehört zur VanDrie Group. Auch in Frankreich ist die VanDrie Group prominent vertreten, denn mit den integralen Produktionsketten Sobeval und Tendriade gehört sie zum größten Kalbfleischproduzenten des Landes. Die italienische Kälberbranche, die sich hauptsächlich im nördlichen Piemont konzentriert, ist sehr fragmentiert. Einige große Unternehmen, wie Inalca und Unipeg, produzieren zwar auch Kalbfleisch, richten sich aber insbesondere auf Rindfleisch. Darüber hinaus gibt es Schlachthöfe wie Unilleva und Corticella, die über die Vertragsmast einen Teil der Kette kontrollieren. Aber letztendlich sind die wichtigsten Spieler im Bereich von Kalbfleisch nicht sehr groß. Nirgendwo auf der Welt weist die Kälberbranche eine so starke Integration auf wie in den Niederlanden. Wenn wir die beiden großen Produktionsländer Niederlande und Frankreich einmal miteinander vergleichen, erkennen wir grundlegende Unterschiede. Erstens haben die niederländischen Kälbermäster im Durchschnitt 600 bis 700 Kälberplätze im Vergleich zu Frankreich mit 250 bis 300. Allerdings verfügen die französischen Betriebe über viel mehr Anbaufläche: 25 bis 35 ha gegenüber 5 bis 7 ha in den Niederlanden.

Wie wird die Produktion der Zukunft aussehen? Zunächst haben wir es mit weitreichenden politischen Entscheidungen zu tun. Die EU plant die Abschaffung aller landwirtschaftlichen Subventionen. Die Bauern sollen stattdessen eine Art Pauschalsubvention bekommen. Damit möchte man betonen, dass sich die Funktion des Bauern künftig ändern wird: vom landwirtschaftlichen Produzent zum Landschaftsverwalter. Pauschal heißt in diesem Bereich: ein fester Betrag pro Hektar. Für die Niederlande und Belgien hat das zweifellos ungünstigere Folgen als für Frankreich, wo die Bauern einfach mehr Land haben. Auch die Milchquoten werden abgeschafft, wodurch die Milchbauern wieder wachsen können. Auf den ersten Blick würde man meinen, dass dadurch viel mehr Milchkälber auf den Markt kämen. Manche Experten verneinen das. Für sie wird die Milchproduktion in erster Linie durch eine höhere Milchleistung pro Kuh erreicht.

Politische Entscheidungen sind jedoch unbedeutend im Vergleich zu dem, was die sich wandelnde Welt künftig erwartet. Waren Europa und Nordamerika in Bezug auf den allgemeinen Wohlstand lange Zeit führend, sind diesbezüglich neue Länder stark im Kommen. Werfen wir dazu nur einmal einen Blick auf China, ein Land mit 1,3 Milliarden Einwohnern. Hier werden zwar hauptsächlich Schweine, Hühner und Enten konsumiert, aber dennoch. Sollten die Chinesen aufgrund ihres wachsenden Wohlstandes jemals 100 g Kalbfleisch pro Person essen wollen, bedeutet das 130 Millionen kg, mehr als die Hälfte dessen, was in den Niederlanden pro Jahr produziert wird. Ubifrance, die französische Behörde, die die weltweiten Entwicklungen beobachtet, sagt voraus, dass China sich ab 2016 zu einem wichtigen Importeur von Kalbfleisch entwickeln wird. Ferner darf man davon ausgehen, dass Indien irgendwann ebenfalls ein wichtiger Importeur werden wird. Sehr merkwürdig ist, dass die Kuh dort heilig ist, aber das Kalb nicht. Die städtischen Gebiete Indiens übernehmen im Eiltempo die westliche Kultur und auch westliches Essen boomt hier gerade. Auch Japan verspricht einiges, weil sich der japanische Markt, der immer hermetisch geschlossen war, nun vorsichtig öffnet. An anderer Stelle in diesem Buch können Sie nachlesen, wie japanische Spitzenköche das für sie bislang völlig unbekannte Kalbfleisch kennengelernt haben. Die Chefköche verglichen dieses delikate Fleisch sofort mit Thunfisch!

Aber werden die asiatischen Länder nicht bald selbst zu Produzenten werden? Nach Meinung von Henny Swinkels wird es kurzfristig nicht dazu kommen. Eine Kette kann nicht einfach so kopiert werden, schlichtweg, weil es ein Denken erfordert, das von innen heraus entstanden und gewachsen ist. Man kann die Kette nicht in kleine Teile zerlegen, damit jeder seinen eigenen Weg gehen kann. Deshalb geht man davon aus, dass die neuen Wohlfahrtsstaaten mittelfristig gesehen für Europa zu einem interessanten Absatzmarkt werden.

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