Im Stall

"Indem ich die Kälber selbst füttere, kenne ich jedes einzelne Tier und sie kennen mich."

 

Kälbermastbetriebe, auch die modernsten unter ihnen, sind echte Familienunternehmen, in denen die Tiere richtig verhätschelt werden. Das sehen wir auch bei Evert, einem modernen Bauern wie er im Buche steht. Er hat enorme Investitionen getätigt und investiert weiter, wenn er erkennt, dass es noch besser geht. In seinem Betrieb gibt es 2 Ställe mit einer Gesamtkapazität von 1200 Kälbern. Hier läuft möglichst viel automatisiert und computergesteuert ab, um Fehler auszuschließen. Die modernen Ställe sind bis zu 10 m hoch, die Dachspitze öffnet und schließt sich automatisch, je nach der erforderlichen Temperatur und Lüftung. Auf der Ostseite kommt viel indirektes Tageslicht hinein, denn direktes Sonnenlicht würde im Sommer für eine zu große Hitze im Stall sorgen. In den dunklen Wintermonaten bleibt das Licht bis spät abends an. Wachsen die Kälber davon besser? Nein, aber es ist für sie einfach angenehmer. Auf den Dächern befindet sich eine Solaranlage, sodass das Unternehmen energieneutral produzieren kann. Die Jauchegrube unter den Ställen hat eine Kapazität von 14 Monaten. So ist die Jauche für den Bauern immer zu dem für ihn idealen Zeitpunkt verfügbar. "Meine Kälber", sagt Evert, "haben es besser als die Menschen im Pflegeheim." Sie stehen in Gruppen von 10 zusammen und es ist auffallend, wie ruhig sie sich während unseres Besuchs verhalten. Sie beobachten uns neugierig und versuchen, unsere Hände abzulecken. Die Kälber können den ganzen Tag über frisches Wasser trinken, aber was bekommen sie zu fressen? Evert nimmt uns mit in einen edel aussehenden, gefliesten Raum, in dem das Futter gemischt wird. Selbstverständlich auch wieder computergesteuert. In einen Mischbehälter wird 62 °C warmes Wasser gespritzt. Aus den Silos, die draußen stehen, wird das Kälbermilchpulver in der richtigen Dosierung zugeführt. Bei Bedarf werden auch Mineralstoffe und weitere Nahrungsergänzungsmittel automatisch abgewogen und beigemischt. Nach einer Mischzeit von 4 Minuten gelangt die Kälbermilch in einen Vorratstank und kann von dort über Leitungen zu den Ställen transportiert werden. Die Kälbermilch kommt da mit der exakten Temperatur von 42 °C an. Jeden Tag erhalten die Tiere 15 g mehr Milch als am Tag zuvor. Manche Kälber können nicht aus einem Trog trinken, für sie befinden sich treibende Sauger im Trog. Der Bauer läuft mit einem Schlauch an allen Trogen entlang, und füllt diese grammgenau mit dem Futter. Auch diese Arbeit erledigt der Computer. Warum geht Evert dann noch mit dem Schlauch herum? Er könnte das doch auch automatisieren? Er sagt: "Ein Bauer muss bei seinen Tieren sein. Indem ich die Kälber selbst füttere, kenne ich jedes einzelne Tier und sie kennen mich." Die Tiere erhalten aber nicht nur Kälbermilch. Die Fütterung erfolgt nach einem festen Muster. Morgens um 4.30 Uhr bekommen sie ihre erste Portion Milch. Um 7.30 Uhr wird das Raufutter verteilt, von dem sie den ganzen Tag fressen können. Um 16.30 Uhr gibt es wieder Milch. Das Raufutter, so finden wir, ist für den Menschen ebenso appetitlich wie für das Kalb. Es besteht aus Heu und einer leckeren Mischung aus mehreren Getreidesorten, geplättetem Mais, Johannisbrot und sogar getrockneten Mandarinenschalen. Die Kälber sind verrückt nach diesem Müsli, was Evert uns beweist, indem er eine Schaufel voll aus der Kiste holt. Sofort spitzen alle Kälber die Ohren und es ertönt ein lautes Muhen. Auch das Raufutter wird exakt dosiert, und zwar mithilfe eines elektronischen Wagens, den Evert speziell zu diesem Zweck hat bauen lassen. In der Zwischenzeit erklärt der Bauer uns den gesamten Ablauf. Die Kälber kommen bei ihm im Alter von 14 Tagen an und bekommen dann alle standardmäßig Eisen verabreicht. Die Temperatur im Stall ist in dem Moment 1,5 °C höher als gewöhnlich, weil das beruhigend wirkt. In jeden Stall zieht eine Herde von 10 Tieren ein, aber in den ersten 3 bis 4 Wochen stehen sie noch separat voneinander, getrennt durch abnehmbare Zwischenwände. Für den Bauern ist das eine wichtige Zeit, denn er beobachtet das Verhalten eines jeden Tieres. Die Kälber, die weniger gut wachsen als die anderen oder irgendwelche Probleme haben, werden zusammengelegt, damit man sie besser im Auge behalten kann. Danach nimmt die tägliche Routine ihren Lauf. Nach 27 Wochen werden die Kälber abgeholt. Der Stall wird dann komplett gereinigt, desinfiziert und für die nächsten Kälber bereitgemacht, die 14 Tage später ankommen. In diesem Betrieb werden nur Stiere gehalten. Diese fressen 10 % mehr als die weiblichen Tiere. Es wäre zu kompliziert, um weibliche und männliche Kälber zusammen zu halten.

Zum Abschluss begeben wir uns in das Büro des Bauern. Hier werden die Daten von allen Kälbern bis ins kleinste Detail nach Minute und Gramm gespeichert. Ernährung, Medikamentengaben, Herkunft, Transport, Krankheiten, Tierarztbesuche, alles wird für jedes einzelne Kalb dokumentiert. Diese Daten werden 5 Jahre lang aufgehoben. Evert sagt: "In jedem Dorf wird irgendwann einmal ein Bürger vermisst, aber bei mir ist noch nie ein Kalb verloren gegangen." Kälberhalter, die zu einer Kette gehören, erhalten oftmals unangekündigten Besuch von Kontrolleuren. Evert: "Alles ist vollkommen transparent, wir haben nichts zu verbergen. Aus diesem Grund öffne ich meinen Betrieb an bestimmten Tagen auch für die Öffentlichkeit. Die Leute sollen sich hier ruhig umsehen. Ich bin stolz darauf. Manche Menschen haben nach wie vor negative Vorstellungen von der Kälbermast. Aber das ist reine Unwissenheit. Ein Kälbermäster profitiert nur von gesunden Tieren und wird alles daran setzen, um ihre Gesundheit zu fördern. Sieh doch, wie meine Kälber glänzen. Sie haben es bei mir viel besser als im Naturschutzgebiet!"

Bauer Evert hat einen fantastischen Betrieb. Seine Ställe waren die ersten vollautomatischen in Europa und Kälberhalter aus aller Herren Länder haben ihn schon besucht. Der Bauer genießt sein Leben für und mit den Kälbern. Durch die Art und Weise, in der er seinen Betrieb aufgebaut hat, muss er nicht Tag und Nacht arbeiten. "Um sechs Uhr abends bin ich fertig, sodass wir ein ganz normales Familienleben haben. Und morgens können wir alle gemeinsam frühstücken."

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