Muskeln sind Fleisch

Henny Swinkels wurde 1950 als ältester Sohn einer Bauernfamilie geboren. Zu Hause hatte man ein paar Schweine, einige Hühner und ein Stück Land, so wie fast alle Bauern in der Provinz Brabant zu der Zeit. Als Henny sechs Jahre alt war, starb sein Opa, aber die Bilder von früher sind in seinem Gedächtnis eingebrannt. Opa sagte immer: "Lass die Kälber frei herumlaufen, dann bekommen sie Muskeln. Und Muskeln sind Fleisch." Also durften die Kälber in einem unbenutzten Schweinestall frei herumlaufen. Milch oder Kälbermilch? Diese Frage führte zu einem heftigen Streit zwischen Opa und Vater, der durch ein salomonisches Urteil geschlichtet wurde. Halb und halb.

Das erste Kälbermilchpulver, so erinnert sich Henny, war ein fester Klotz, den man mit einem Hammer in Stücke schlagen musste und die ersten Silos wurden mit Säcken gefüllt. Die Kälber bekamen übrigens täglich ein Ei. Beim Durchleuchten wurden dazu die Eier ausgewählt, in denen sich ein Blutfleck befand. Wie sah der Alltag eines Bauernsohnes in den 1950er-Jahren aus? Sehr früh aufstehen, die Kälber füttern, eine Dreiviertelstunde zur Kirche radeln, um dort als Messdiener dem Gottesdienst beizuwohnen und danach in die Schule. Dann tritt Wimke de Kurver auf den Plan, ein regionaler Kälbermilchhersteller, dessen Betrieb sich später zu den Unternehmen Hendrickx und Nutreco entwickeln sollte. Wimke konnte Vater Swinkels für den Bau eines großen Stalls mit 80 Kälbern begeistern, was zu der Zeit revolutionär war. Der Hof wurde deshalb von vielen Menschen besucht, sogar von Franzosen und Italienern. Der Bauernhof wurde zu einem Musterbauernhof, einschließlich eines Guckfensters, damit die vielen Besucher die Ruhe im Stall nicht stören würden. Nur verdient wurde damit nicht viel, denn die Familie Swinkels war ebenso arm wie viele andere Brabanter Bauern auch. Die weiterführende Schule konnte Henny nicht beenden, weil sein Vater erkrankte und die schwere Arbeit nicht mehr bewerkstelligen konnte. Henny hatte keine andere Wahl als auf dem Hof zu arbeiten und daneben die Abendschule zu besuchen.

Viele Jahre später übernahm Henny die Leitung des belgischen Zweigs der niederländischen Genossenschaft Sloten. Im belgischen Kasterlee entstand der größte Kälbermastbetrieb Europas mit 6.000 Kälbern. "Technisch und wirtschaftlich lief es gut, besser als in den Niederlanden. Die Geschäftsführung kam mit dem kompletten Aufsichtsrat zu uns nach Belgien für einen Firmenbesuch, bei dem ich einen Vortrag hielt. Danach wurde ich sofort in die Niederlande abkommandiert und bekam sogar eine eigene Sekretärin. Aber der ganze Papierkram war nichts für mich, ich wollte lieber praktisch arbeiten." Der Geschäftsführer von Sloten, Jan Zeinstra, bat Henny zu einem Gespräch, das in einem Hotel in Friesland stattfand. Der friesische Großaktionär von Sloten, der Milchriese CCF, hatte mittlerweile für alle Milchprodukte einen humanen Bestimmungszweck gefunden, sodass die Verarbeitung von Magermilchpulver und Molke zu Kälbermilch für die Genossenschaft kein Hauptanliegen mehr war. Aber der Absatz von Milchkälbern war natürlich weiterhin von strategischer Bedeutung. Bei dem oben erwähnten Hotelgespräch entstand eine Idee. Man wollte ein neues Produktionssystem und eine neue Fleischsorte entwickeln. Das Projekt wurde zunächst mit dem Kürzel "NP", für neues Produkt, bezeichnet. Später sollte dieses neue Produkt einen wohlklingenden Namen erhalten: Friander

Einige Jahre später, als Friander sich zu einem wirtschaftlich wichtigen Produkt entwickelt hatte, vollzog Henny den Wechsel zur VanDrie Group. Dort arbeitete er sich zum Direktor für Corporate Affairs hoch. Eine große Belohnung für seine Arbeit erhielt er, als Ihre Königliche Hoheit Königin Beatrix ihn 2010 zum Träger des Ordens von Oranien-Nassau in der Kategorie Offizier ernannte.

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